„Virtuelles Coaching erfreut sich im deutschsprachigen Raum nicht gerade besonderer Sympathien. Die Daten, die Jörg Middendorf auf dem Erdinger Coaching-Kongress 2016 präsentierte, sprechen diesbezüglich Bände: 85 Prozent der 454 Teilnehmer seiner etablierten „Coaching Umfrage Deutschland“ erklären, dass sie klassisches Präsenz-Coaching nutzen. Die Kanäle Telefon (7%) und Videotelefonie (5%) folgen weit abgeschlagen, technisch elaboriertere Lösungen schaffen es nicht über die Ein-Prozent-Hürde“ (Link: https://managementwissenonline.de/artikel/online-coaching-ungeliebt-und-unterschatzt).

Webers schreibt in seiner Rezension des Buches „Avatar-basierte Beratung in virtuellen Räumen“ (Klaus Bredl / Barbara Bräutigam / Daniel Herz, Springer Verlag, 2016) die Bevorzugung von Präsenzformen als etabliertes Vorurteil, gebildet auf einer Basis von Halbbildung und Unwissen. „Die Masse kennt offenbar weder die virtuellen Möglichkeiten im Einzelnen, noch den Stand der medienpsychologischen Forschung. Denn gerade die Kritik an fehlenden Kommunikationskanälen, die Mitte der 1980er-Jahre unter der Überschrift „Media Richness Theory“ formuliert wurde, ließ sich in der Folge wissenschaftlich nicht aufrechterhalten. Dies liegt nicht nur an neuen erweiterten technischen Möglichkeiten, sondern auch an mittlerweile differenzierteren medienpsychologischen Theoriebildungen. Demnach könnte man inzwischen den Spieß auch begründet umdrehen und behaupten, in virtuellen Settings habe man nicht nur gleichwertige, möglicherweise sogar potentere Möglichkeiten als in der Offline-Beratungswelt zur Verfügung.“

Auch unsere Beobachtungen führen zu der Erkenntnis, dass die Mehrzahl der Veröffentlichungen, die sich Online Beratung oder Online-Coaching gegenüber ablehnend äußern oder den Online-Formen eine nur eingeschränkte Berechtigung zusprechen, von Personen stammen, die weder persönliche Erfahrung mit telemedialer Beratung oder telemedialem Coaching haben oder – häufig  überhaupt keine praktischen Erfahrungen nachweisen können. Nicht selten wird einfach ins Blaue hinein kritisiert – der Inhalt der Rede bleibt unklar. Oder wie es im Wörterbuch der Brüder Grimm heißt: „reden was man nicht genau weisz, unbesonnen ins blaue hinein sprechen, faseln u.ä.“

Wer mehr wissen will über das „Reden ins Blaue hinein“, dem sei das lesenswerte Buch von John Durham Peters empfohlen: Speaking into the air (1999, University Chicago Press).