„Post“-modern, „Post“-strukturell und jetzt: „Post“-faktisch? Was soll mit dem Adjektiv „post“ bezeichnet werden?

Jean-Francois Lyotard prägte den Begriff „post-modern“, um das Scheitern der großen philosophischen Systeme anzuzeigen und mit ihnen den Verlust der homogenen, konsensbildenden Grundlagen. So gesehen ist es legitim, von einer Erkenntnis zu sprechen, die zeitlich wie inhaltlich „nach“ dem Denken der (bisherigen) Moderne einsetzt und die Heterogenität als Grundlage setzt: es gibt nicht mehr mehrheitlich tragende Ideologien, vielmehr existieren viele, widersprüchliche und unvereinbare Begrifflichkeiten zur Beschreibung von Wirklichkeit und Wahrheit.

Unter dem Begriff „Post-Strukturalismus“ wird die Kritik der Idee subsumiert, Wirklichkeit könne (vollständig) sprachlich abgebildet, d.h. „formuliert“ werden. Die Autoren weisen darauf hin, dass jede sprachliche Äußerung Wirklichkeit konstruiert, weshalb es de-konstruierender (i.S.v. „entlarvender“) Untersuchungen des Wesens und der Wirkung der Sprache bedarf (z.B. Jacques Derrida, Jean Baudrillard).

Die Diskussion beider Begriffe dreht sich im Kern um die Frage, welche Wirklichkeitsdeutungen unter welchen Umständen und wie legitimiert sozial verbindlich werden.

Postfaktizität beschreibt – dem Wortsinn folgend – alles nach oder außerhalb der Fakten. Wo Wahrheit ist, muss es auch Unwahrheit (Lüge) geben. Im Gegensatz zum Nichtwissen oder Falschwissen beruht die Unwahrheit darauf, dass gewusst wird, dass das Mitgeteilte falsch ist und die Intention der Mitteilung in der  bewussten  Täuschung der Adressaten besteht.
Diese Erkenntnis ist nicht neu und so fragt man sich, weshalb der Begriff aktuell Karriere macht? Um die „alternativen Fakten“ eines weltweit aufkeimenden Populismus zu brandmarken? Oder um davon abzulenken, dass auch zu früheren Zeiten die Bevölkerungen von der Politik und der Wirtschaft (meist übrigens in konzertierter Aktion)  mit Unwahrheiten gefüttert wurden.