War bisher die Ausbildung zur zertifizierten Beraterin, Coach oder Supervisiorin den durch Fachverbände akkreditieren Instituten vorbehalten, stellen sich im Zusammenhang mit Online-Beratung/-Coaching/-Supervision weitere Anbieter vor, die außerhalb etablierter Strukturen Aus- und Fortbildungen anbieten und sich auf die jeweilige Online-Variante der genannten Dienstleistungen spezialisieren. Nicht selten sind diese Institute an Hochschulen angebunden, um gegenüber den potentiellen Teilnehmerinnen mit Kompetenz, Expertise und Seriosität zu werben ( z.B. Online-Coaching lernen). Kritisch beäugt können Kompetenz und Seriosität nur schwerlich bestritten werden; bezüglich der Expertise für die Vermittlung der Praxiskenntnisse dürfen hingegen Fragezeichen gesetzt werden. Doch auch dieser Einwand lässt sich von Seiten der Anbieter mit dem Argument entkräften, dass es an den Fortzubildenden selbst liege, wie sie Gelerntes zur persönlich gestalteten Praxis machen. Denn keine Aus- oder Fortbildung kann garantieren, dass ausschließlich qualifizierte und – trauen wir uns, den Begriff zu benutzen – „begabte“ Fachkräfte in die Praxis entlassen werden. Individuelle Faktoren spielen eine große, im Fortbildungsbereich unterbelichtete Rolle bei der Umsetzung von Gelerntem in berufliche Praxis, die von der Performanz der ausführenden Person „lebt“. Ist die Fachkraft in ein Team eingebunden, wirkt das Korrektiv „begabter“ und berufserfahrener Fachkräfte. Erfolgt die Leistungserbringung als Einzelperson (z.B. als Selbständige), wirken sich unzureichende Transfers von Gelernten auf die berufliche Praxis deutlich negativer auf die Kundinnen aus.

Problematisch ist aus Sicht der DGOB zweierlei:
a) der Wert der beworbenen Zertifikate wird „relativ“, weil die Kundinnen nicht entscheiden können, welche Institute eine „gute“ Aus- und Fortbildung anbieten und folglich, welchen Wert das Zertifikat besitzt, mit dem die Fachkraft sich selbst bewirbt,
b) die zuständigen Fachverbände haben den Trend zu immer mehr Online-Angeboten verschlafen – und den im Umfeld dieses Trends entstehenden Qualifizierungs-„Markt“.

Orientierend für die Kundinnen sind Zertifikate, die von einer zentralen und unabhängigen Instanz vergeben werden, mit transparenten Vergabekriterien und einer Beschwerdestelle, die von unzufriedenen Kundinnen angerufen werden kann. An dieser Stelle müsste die DGOB präsent und wirksam sein und dafür Sorge tragen, dass solche Strukturen aufgebaut werden. Es bleibt zu hoffen, dass dem neu zu wählenden Vorstand dies gelingt.

Den etablierten Fachverbänden ist das Festhalten an der Präsenzberatung als der zentralen Folie, auf der das jeweilige Verbandsmodell entwickelt wurde, nicht zu verübeln. Kritikabel ist, dass man die entstehende Parallelstruktur „Online“ mehr oder weniger ignoriert. Das hat mit fachlicher Haltung wenig zu tun und zeigt, dass man nicht die Mittel und die Expertise zu haben scheint, diese Entwicklung adäquat zu begleiten. Das Gebot der Stunde lautet dann: kann man die notwendige Expertise nicht selbst generieren, muss man die Kooperation mit Strukturen suchen, die über die fehlenden Expertise verfügen. Auch hier ist die DGOB der naheliegende Kooperationspartner, allerdings findet eine Zusammenarbeit nur ausnahmsweise statt. Aus ökonomischen Gründen kochen die Aus- und Fortbildungsinstitute ihre eigene Suppe und wollen sich nicht in die Töpfe schauen lassen. Aus fachliche Gründen scheint das Eingeständnis fehlender Expertise zur allgemeinen Online-Kommunikation und zur beratenden Kommunikation online im Speziellen nicht opportun: man ist kompetent, man bleibt kompetent und ansonsten gilt die Devise, dass man nicht jeden trend mitmachen muss (wogegen in der Vergangenheit anderen Trends geradezu willen- und kritiklos gefolgt wurde). Dass Online-Kommunikation (mit all ihren Folgen) keine Eintagsfliege ist, ist augenscheinlich. Ganz abgesehen, dass der „Trend“ mittlerweile seit 20 Jahren immer mehr Platz greift und die face-to-face-Kommunikation zu verdrängen droht, zumindest aber die tradierte Priorisierung untergräbt.