Wir haben schon öfter an dieser Stelle auf die Geltung des § 203 StGB hingewiesen. Die Norm regelt die Verpflichtung der in der Norm aufgezählten Berufsgruppen zur Wahrung des Privatgeheimnisses, umgangssprachlich als Schweigepflicht bezeichnet. Zweck der Norm ist die Regelung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Geheimnisträgerin und der Person, die sich anvertraut (in der Rolle als Klientin oder Patientin). Wer als berufliche Anbieterin gegen die einseitige Verpflichtung verstößt, wird mit Geld- oder Gefängnisstrafen bestraft.

Off- wie Online-Beratung sind durch die genannten Norm geschützt, soweit sie von den in der Norm genannten Berufsgruppen angeboten wird. Gegen die Norm verstößt, wer Kommunikationswege benutzt, bei denen nicht sicher gestellt ist, dass nur die Beraterin und die Klientin von den mitgeteilten Privatgeheimnissen Kenntnis erhalten. Beispielsweise ist der Austausch von Geheimnissen via E-Mail als ein solcher Verstoß zu werten, soweit eine End-zu-End-Verschlüsselung durch die beratende Fachkraft nicht sicher gestellt werden kann. Gleiches gilt für die Nutzung von Tools (z.B. Skype für die Videotelefonie), bei denen der Anbieter sich vorbehält, die im Zuge der Nutzung gesammelten Daten für eigene kommerzielle Zwecke zu nutzen. Wir alle wissen, welch umfangreiche Profile sich aus den Nutzungsdaten erstellen lassen. Und weiterhin gilt, dass bereits die Tatsache, dass jemand eine psychologische Hilfe braucht, eine schützenswerte Information darstellt, die nur die beratende Fachkraft etwas angeht.

Doch was ist mit der Verschwiegenheitspflicht von Berufsgruppen, die nicht im § 203 StGB genannt werden?

Für Sie gilt: „nullum crimen sine lege“ – „keine Strafe ohne Gesetz“. Bleiben somit jene Berufsgruppen straffrei, die nicht im § 203 StGB aufgeführt werden und dennoch Beratung anbieten und im Zuge dieser Tätigkeit Informationen erfahren, die als Privatgeheimnis zu werten sind? Was gilt für stattlich ausgebildete Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologische/r Berater/in, die immer öfter auch Online-Beratung anbieten?
Auch diese Berufsgruppe ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und im Falle eines Verstoßes sind passende Normen anwendbar. Eine Heilpraktikerin für Psychotherapie erbringt ihre Leistungen auf der Basis eines mündlich oder schriftlich abgeschlossenen (Behandlungs-)Vertrags, der neben den konkreten (Individual-)Leistungen die Pflicht zur Verschwiegenheit mitreguliert, selbst wenn dies nicht explizit in Wortform erfolgt (§ 630 a BGB, für psychologische Berater gilt analog der § 611 BGB). Näheres hierzu findet sich bei Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, 312 ff. Rdnr. 300. Kundinnen von Heilpraktikerinnen, die psychologische Díenstleistungen anbieten, sind in vergleichbarem Maße gegen die Offenbarung ihrer Privatgeheimnisse geschützt wie die Patientinnen von Ärzten oder psychologischen Psychotherapeutinnen.Und es gilt: Zum Umfang der Schweigepflicht gehört auch die „Patienteneigenschaft“, also die Tatsache, dass jemand Patientin doer Klientin ist.

Wer in seiner Eigenschaft als Heilpraktikerin für Psychotherapie oder als Psychologische Beraterin Online-Beratung anbietet, muss dafür Sorge tragen, dass die mit der Klientin zu führende (Fern-)Kommunikation den Anforderungen an Vertraulichkeit entspricht, die für alle andere Berufsgruppen gilt, die zur Wahrung des Privatgeheimnisses verpflichtet sind. Der Austausch von sensiblen und schützenswerten Informationen via E-Mail ist immer dann ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit, wenn eine sichere End-zu-End-Verschlüsselung nicht garantiert (!) werden kann. Das dürfte im normalen Mailverkehr nur ausnahmsweise der Fall sein, schon deshalb, weil die Heilpraktikerin nicht garantieren kann, dass die Gegenseite die gleiche Verschlüsselungssoftware nutzt und diese zudem technisch korrekt installiert isst (denn nur dann funktioniert die End-zu-End-Verschlüssselung). Werden Tools zur Kommunikation genutzt, die von Dritten (meist kostenlos) angeboten werden, und diese sich in den AGB’s die Sammlung und Auswertung von Profildaten vorbehalten (zum Zwecke eigen-ökonomischer Interessen, z.B. personalisierte Werbung), verstößt ein solches Vorgehen ebenfalls gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit. Hier vor allem deshalb, weil bereits mit der Kontaktaufnahme deutlich wird, dass jemand sich in der Rolle der Patientin oder Klientin befindet und entsprechender Hilfsangebote bedarf. Nochmals: Auch diese Information ist ein schützenswertes Privatgeheimnis.

Fazit: Grundsätzlich sind die Klientinnen von Berufsgruppen, die psychologische oder psychosoziale Beratung anbieten, ohne dass sie in § 203 StGB aufgeführt sind, vergleichbar geschützt. Für die Anbieterinnen gilt, dass sie im Falle der Fernkommunikation (Online-Beratung) für einen vergleichbaren organisatorischen und technischen Schutz sorgen müssen. Die bedenkenlose Nutzung von E-Mail und Tools Dritter (wie z.B. Skype, WhatsApp etc.) verbietet sich somit, ein evtl. auf der Website veröffentlichter Disclaimer (Übertragung der Verantwortung auf den Klienten / Patienten) ist rechtlich wirkungslos. Auch sollte unbedingt eine spezialisierte Software zum Einsatz kommen, die alle Auflagen in Punkto Datensicherheit erfüllt und zudem die Hersteller der Software als Dritte im Sinne des § 11 BDSG verpflichtet. Wir haben dazu mehrfach an anderer Stelle informiert.

Literatur:
Frank Wenzel(2007): Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht. Köln: Luchterhand.