… verspricht der Instahelp-Gründer Martin Pansy. „Instant help“ steht für Hilfe in Echtzeit, ein Angebot, das  unbedingt begrüßenswert ist, denn in der Tat finden Ratsuchende nicht immer zeitnah einen passenden Termin bei einer renommierten Beratungsstelle oder einer ausgewiesenen Expertin. Doch kann diese Lücke mit Angeboten wie Instahelp und Co. tatsächlich geschlossen werden?

Zunächst: Lücken entstehen immer dort, wo eine hohe Nachfrage auf ein zu geringes Angebot trifft. So stellt sich einerseits die Frage, wie hoch die Nachfrage tatsächlich ist und ob die auf Webseiten veröffentlichten Schätzungen seriös sind. Angaben wie „in Europa haben ungefähr 40 % der Menschen im Jahresverlauf Bedarf an psychologischen Beratungsleistungen. Jedoch finden nur 30 % der Betroffenen auch tatsächlich den Weg in eine professionelle Beratung“ sind reichlich spekulativ und Hinweise auf seriöse empirische Quellen fehlen (https://www.deutsche-startups.de/2017/07/12/instahelp-sychologische-beratung-ohne-wartezeiten/).

Daneben stellt sich die Frage, warum das Angebot so gering ist. Einerseits deshalb, weil die psychosoziale Versorgung (nicht nur  in Deutschland) stark überreguliert ist, denn der Zugang zu psychosozialen Hilfen wird durch Vorschriften und (teils langwierige) Genehmigungsverfahren behindert. Außerdem braucht es Zeit, bis die Absolventinnen eines einschlägigen Studiengangs mit der Ausbildung in einer oder gar mehrerer der anerkannten Schulmethoden beginnen können – ein zeitlich und finanziell aufwändiges Unterfangen. Gleiches gilt für die sich anschließende Approbation oder Zertifizierung durch einen anerkannten Fachverband als Nachweis einer „erworbenen“ (und nicht zugesprochenen) Qualität.

Wenn die Situation sich wie geschildert abbildet, wo sollen die ohnehin überlasteten Fachkräfte die Zeit für das Beratungsformat „Online-Beratung“ hernehmen? Zumal diejenigen, die Beratung telemedial anbieten, die damit verbundenen Besonderheiten zunächst erlernen müssen. Ein Aufwand, der erneut Zeit und Geld kostet. Im Gegensatz zu den vorhandenen Möglichkeiten, die für die Präsenzberatung erworbenen Kompetenzen den Kundinnen und Kunden gegenüber nachprüfbar nachzuweisen, fehlt im Bereich der Online-Beratung in fast allen europäischen Ländern eine vergleichbare nationale Instanz, die einen solchen Nachweis führen könnte. Folglich bleibt es aktuell dem Zufall überlassen, ob man an das „richtige“ Angebot gerät: ein Angebot, das professionelle und qualitätsgesicherte Beratung oder Coaching bietet.

Wird aus Online-Beratung bzw. Online-Coaching primär ein Geschäftsmodell – und um nichts anderes handelt es sich bei Instahelp und Co. – stehen sich fachliche Ausrichtung und Generierung von Einnahmen konkurrierend gegenüber. Die Kundinnen und Kunden bleiben im Unklaren darüber, wo die eingesetzten „ausgebildeten Psychologen“ (Quelle: siehe vorstehend) ihre Kompetenzen für die telemediale Beratung erworben haben und in welcher Weise sie ihre eigene Beratungsqualität kontinuierlich absichern (z.B. durch kollegiale Supervision mit online erfahrenen Fachkräften oder Supervision bei ausgebildeten und zertifizierten Online-SupervisorInnen).

Letztendlich geht es auch um die  Wertigkeit des Angebots, sprich: den Preis. Mit einer Wochenpauschale ab 29 Euro dürfte wohl kaum mit einer wirklich personalisierten Beratung zu rechnen sein, weil das Modell sich so kaum rechnen dürfte.  Wie auch bei vergleichbaren Plattformen (verstärkt) zu beobachten, werden die Ratsuchenden mit vorgefertigten Texten (Textbausteinen, aber als „Module“ verkauft) beschäftigt. Im optimalen Fall erfolgt von Zeit zu Zeit eine personalisierte Rückmeldung. Manche Foren, die Pansy als Konkurrenz bezeichnet, bieten weit bessere Hilfestellungen, zumindest ist die in einigen dieser Foren stattfindende Kommunikation authentisch und findet zwischen hoch engagierten Beteiligten statt (auch wenn diese meist Laien sind und zugegeben nicht immer fachlich vertretbare „Lösungen“ anpreisen).

Es zeigt sich, dass man mit schambesetzten Themen Geschäfte machen kann, Sensibilität wird dann zum Aufhänger und zum Zauberwort. Wie groß die „Sensibilität“ gegenüber Menschen ist, die psychologische Hilfe suchen, aber unversorgt bleiben, wird an der folgenden Aussage deutlich: „Wir haben unser Geschäftsmodell bereits in Österreich erprobt und sind nun dabei uns in Deutschland weiter auszubreiten. Wir lösen einen klaren Need, der von der öffentlichen Gesellschaft und vom Gesundheitssystem gerne ausgeblendet wird, weil man sich mit dem Thema psychische Leiden nicht gerne beschäftigt. Zu guter Letzt kann unser Geschäftsmodell sehr einfach international skalieren, was wir in den nächsten Monaten auch weiter vorhaben“ (Quelle: siehe vorstehend). Die  psychische Hilfe ist einen Satz zwischen der Darstellung des Geschäftsmodells wert, dessen Aussage durchaus bestritten werden darf. Dem Format „Online-Beratung“ gereicht eine solche Darstellung nicht zum Vorteil. Im Gegenteil: unzureichende bzw. mangelhafte Leistungen werden generalisiert und auf alle Online-Angebote übertragen. Enttäuschte Ratsuchenden verlieren die Motivation, nach qualitätsgesicherten Online-Angeboten  Ausschau zu halten. Zumal sich der Zirkel schließt: sie können nicht erkennen, ob das Angebot fachlich hochwertig ist und ob es sich bei dem eingesetzten Personal um speziell für Online-Beratung qualifiziertes Fachpersonal handelt. Denn es fehlen verbindliche Richtlinien, wer sich Online-Beraterin nennen darf und wo Ratsuchende nachsehen können, wer die Zertifizierung vorgenommen hat.