Ein Bereich, dem lange Zeit unbedingt vertraut wurde, ist der Medizinbereich. Trotz Zugriff auf medizinische Fachinformationen bleiben die meisten Patienten weiterhin auf die Auskünfte der behandelnden Ärztin bzw. des behandelnden Arztes angewiesen. „Die Bandbreite von Halb- und Unwahrheiten zu medizinischen Maßnahmen ist enorm und kaum richtig abzuschätzen. Sie reicht von unabsichtlich und in gutem Glauben publizierten Falschnachrichten über Scharlatanerie bis hin zu bösartig in die Welt gesetzten Lügen“, sagt Prof. Gerd Antes, Direktor des deutschen Cochrane Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg. „Das Internet und die sozialen Medien beinhalten vermutlich zu über 90 Prozent leere Versprechungen und falsche Aussagen. Bei einigen steckt regelrecht kriminelle Energie dahinter.“  (Quelle: Fake-News in der Medizin). Hilfreiche von weniger hilfreichen Informationen zu unterscheiden ist unter diesen Bedingungen schwierig und nur bei einer Minderheit der Patienten zu erwarten. Was aber, wenn dieser Teil der Patienten die behandelnden Mediziner mit neueren Erkenntnissen über bessere Behandlungsmethoden oder wirkungslose Behandlungsmethoden konfrontiert? 

Man kann sich vorstellen, dass zum einen die Arzt-Patient-Beziehung belastet wird. Niemand wird sich gerne von so genannten Laien vorführen lassen wollen. Allerdings liegt das Problem tiefer. Der Großteil der MedizinerInnen hat weder  Zeit noch die nötige Qualifikation im Bereich Statistik, um die Zahlenverhältnisse in Studien kritisch zu überprüfen. Auf welche Teilnehmerzahlen beziehen sich die Prozentangaben? Wurden sie korrekt mit den (Krankheits-)Verläufen der unbehandelten Kontrollgruppen verglichen? Belegt wird diese Aussage auch durch den Wissenschaftsrat: „Der Wissenschaftsrat, das wichtigste Beratungsgremium der Politik in Fragen rund um Forschung und Lehre, rügte die Mediziner-Promotion bereits 2004: „Medizinische Dissertationen und Habilitationen, abgesehen von den auch hier existierenden hervorragenden Arbeiten, erreichen oftmals nicht das wissenschaftliche Niveau, das in anderen Disziplinen üblich ist“, urteilte das Gremium. (Quelle: Spiegel-Online). Eine der beste dokumentierten Falschinformationen dürfte der Umgang mit Cholseterinwerten sein (Quelle: Die Cholesterin-Lüge). In durchaus witziger Art macht Gerd Bosbach auf die Schwierigkeiten aufmerksam, die Nichtstatistiker mit der Interpretation von Rechenergebnissen haben (Quelle: Lügen mit Zahlen).

„Gegen Fake News ist vermutlich kein Kraut gewachsen“, sagt Deutschlands Cochraine-Chef Antes. „Da gehört Aufklärung dagegengesetzt, am besten schon in der Schule. Schon hier sollte man lernen: Medizin ist mehr als Biologie. Geglückte Labor- und Tierversuche haben noch lange nichts mit erfolgreichen Therapien zu tun.“ Und: „Bezüglich medizinischer Websites bräuchten wir längst ein echtes Qualitätssiegel, das von einem unabhängigen Kontrollgremium vergeben wird. Zur Vergabe müssten mehr als nur formale Aspekte wie heute überprüft werden, sondern regelmäßig auch die Inhalte und ihr Wahrheitsgehalt. Die Debatte darüber, die Verbreitung von Lügen gesetzlich zu untersagen und gegebenenfalls auch zu ahnden, muss auch in der Medizin geführt werden.“ (Quelle: Fake-News in der Medizin). Eine solche Überprüfung wünscht man sich nicht nur im Medizinbereich, sondern auch im Bereich der Psychotherapie bzw. der psychosozialen Beratung und des Coachings. Besonders der zuletzt genannte Bereich wird von einer Welle unseriöser Heilsversprechen samt der zugehörigen HeilsverkünderInnen überschwemmt. Wir haben in älteren Informationen wiederholt Beispiele genannt.